K2 Nord Expedition - Newsletter #7

Liebe Freunde,

Um 12:00 Uhr unserer Zeit konnte ich über Funk mit Gerlinde sprechen: "Bei immer noch sehr starkem Wind sind sie, Vassiliy, Maxut und Darek im Aufstieg nach Lager III. Bei sehr viel Neu- und windverfrachtetem Schnee waren sie auf ca. 2/3 der sehr steilen Strecke direkt auf der Pfeilerkante nach Lager III. Allen ginge es gut nur würde ihnen der Wind ordentlich zusetzen. Nach der anstrengenden Biwaknacht vorgestern zu viert im Mini-Zelt auf der Felsschulter zwischen Lager I und Lager II konnten alle vier gestern nach der relativ frühen Ankunft in Lager II außer den Innenschuhen alle weiteren Dinge wie Handschuhe und Daunenbekleidung trocken bekommen. Nun hoffen Sie heute im Laufe des Nachmittags frühzeitig den Platz von Lager III zu erreichen, um sich ausreichend auf die lange und anstrengende Etappe nach Lager IV vorbereiten zu können." Um 18:00 Uhr unserer Zeit hoffe ich wieder über Funk Neuigkeiten zu erfahren (s.u.).

Zusammen mit Tommy waren wir gestern von Lager I ins Basislager abgestiegen.
Die Einschätzung einer bestehenden Lawinen- bzw. Schneebrettgefahr ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Neuschneemengen sind nur ein Teil der Wahrheit. Windverfrachtung, Neigung und Form des Geländes, Untergrund und Schneemengen der Tage zuvor und noch einige andere sind weitere Faktoren, die bei der Beurteilung eine bedeutende Rolle spielen. Wo es kein Lawinenbulletin gibt ist man einzig alleine auf seine eigene Einschätzung und sein über Jahrzehnte gewachsenes Bauchgefühl angewiesen. Und beides fällt bei jedem anders aus; je nach Erfahrung. Für mich hat es nicht mehr gepasst und mein Bauch sagte "Nein" - und damit war für mich die Entscheidung klar: Absteigen.

Für Gerlinde, Vassiliy, Maxut und Darek fiel die Entscheidung anders aus - und offensichtlich scheint deren Einschätzung erfolgreich zu sein. Ich wünsche es Ihnen auf jeden Fall von Herzen und freue mich über jeden Meter, den sie bei diesen extremen Bedingungen vorankommen. In großer Sorge bin ich trotzdem.

Tommy und ich erreichten gestern erst am Abend nach mehreren Spalteneinbrüchen und -stürzen (durch den vielen Neuschnee und bei sehr mangelhafter Sicht waren die Spalten so gut wie nicht zu erkennen) unser Basislager.

Und dort war die Überraschung dann riesengroß: in unserer Abwesenheit waren 5 große Felsblöcke (1,2 - 2 Meter Durchmesser) in unserem Basislager eingeschlagen. Offensichtlich hatten sie sich durch die starken Niederschläge weit oberhalb des Basislagers in den dortigen Felswänden gelöst und waren wahrscheinlich in gewaltigen Sätzen in unser Basislager ge-"sprungen". Unsere Küche hat Totalschaden - der größte der Blöcke hat die Steinküche durch die Rückseite kommend einfach flach gemacht.

Wie gut, dass wir unseren uigurischen Koch Abdhul gebeten hatten in den Tagen unserer Abwesenheit 700 m tiefer ins Grüne abzusteigen. Weiter möchte ich gar nicht denken. Die Zelte von Maxut und Vassiliy sind ebenfalls völlig zerstört und das Zelt von Gerlinde und mir blieb wahrscheinlich nur unversehrt, weil wir am Rande einer kleinen Mulde stehen: Ein ca. 1,5 Meter Durchmesser messender Block war einen Meter neben unserem Zelt eingeschlagen und war dann, weil er auf den oberen Muldenrand gefallen war, wieder in die Ausgangsrichtung zurückgesprungen. Wir hatten unendlich Glück nicht anwesend gewesen zu sein.